Vor einigen Jahren gab es im Herzen von Thüringen ein Hula-Festival. Gäste aus der ganzen Welt haben sich in Zeulenroda getroffen und diesen kleinen Ort in ein Südsee-Paradies verwandelt. Das Beste war, dass es auch Tanzunterricht gab – für Männer und Frauen …
Ich hatte so einen Workshop gebucht. Die Frauen tanzten die großen sanften Bewegungen im Wechsel mit den typisch kleinen und schnellen Hüftbewegungen, während sich die Männer in kriegerischen Posen übten. Wow. Männer und Frauen, beide an einem Ort, jeder damit beschäftigt, sich in seinem ganz ursprünglichen Programm zu bewegen. Selbstverständlich machten die Frauen andere Bewegungen als die Männer. Im Tanz wird der Geschlechter-Unterschied nie in Frage gestellt.
Beide Gruppen stellten sich hintereinander in Riegen auf. Mir wurde das Glück zuteil, ganz vorne zu stehen. Ich lächelte in das Gesicht eines norwegischen Tanzkollegen, der die Männergruppe anführte. Die Musik startete. Obwohl sie in unseren Ohren fremd klingen sollte, weil sie tausende Kilometer von diesem Ort entfernt stammt, fühlten sich alle zu Hause.
Die Choreografie verlangte, dass beide Gruppen erst mal einige Schritte aufeinander zugingen: die Frauen mit ihren zarten Hüftbewegungen, die Männer präsent und kraftvoll. Es lag ein Knistern in der Luft. Männer und Frauen bewegten sich aufeinander zu, um sich dann gemeinsam nach vorne auszurichten. Wir tanzten zusammen und doch ging jeder in seiner Rolle auf. Es war herrlich, wie sich das Männliche und Weibliche begegneten, um gemeinsam eine Ganzheit zu bilden.
Jeder Mensch hat männliche und weibliche Anteile in sich.
Bei der Entstehung von neuem Leben braucht es die Vereinigung der Polaritäten. Wenn du als Individuum dein ganzes Potenzial entfalten willst, sollten beide Pole gelebt werden. Leider kommen die weiblichen Eigenschaften heutzutage viel zu kurz, obwohl sie uns Frauen entsprechen und wir aus ihnen wahre Kraft, Stärke und Gesundheit beziehen können. Deshalb ist es so sinnvoll, sich die weiblichen Qualitäten mit dieser Übung noch einmal bewusst vor Augen zu führen.
Wir leben in einer männlich dominierten Struktur. Leistung, Erfolg, Arbeit, Disziplin und Kontrolle bestimmen unser Leben tagein, tagaus. Das ist das Normalste der Welt. Aber all diese Qualitäten werden dem Yang, dem Männlichen zugeordnet. Wir erleben einen Raubbau an der Natur, Kriege, Frontalunterricht, Monogamie, Monokultur und das alles unter den Augen eines männlichen Gottes. Logik und Verstand haben Vorrang vor Gefühlen. In der westlichen Welt ist das männliche Prinzip dominant und so steht die Frau ihren Mann und genau das ist das Problem.
Raus aus der Jeans, rein in die Weiblichkeit
Frauen haben die Hosen an, bedauerlicherweise vor allem Jeans. In einer Frauenzeitschrift entdecke ich die aktuelle Frühjahrsmode unter der Überschrift „Die neuen Blaumänner“ (also eindeutig Mode für Männer). Zwei Weisheiten gibt es da zum Thema Denim: 1. Jeans geht immer und 2. Jeans stehen jeder Frau. Wie bitte? Jeans stehen jeder Frau? Dem möchte ich widersprechen. Natürlich stimmt das, wenn man 16 Jahre alt ist und Kleidergröße 34 trägt. Sonst wohl eher nicht.
Levi Strauss hat Jeans als robuste Arbeitsbekleidung für Goldgräber, für Männer gefertigt. Heutzutage uniformiert sich jeder damit, leider auch Frauen. Alle wollen individuell und besonders sein und kleiden sich dann brav im Einheitslook mit T-Shirt und Jeans – vor allem in Österreich und Deutschland. Italienerinnen und Spanierinnen kleiden sich auch im Alltag betont weiblich.
Der Wegfall der klassischen Rollenverteilung bedeutet auf der einen Seite einen Zugewinn an Freiheit und Selbstbestimmung, auf der anderen Seite erzeugen die unbegrenzten Möglichkeiten, die Idee „Alles ist möglich“, einen enormen Druck.
Frauen versuchen alle Rollen gleichzeitig zu bedienen: die liebevolle Partnerin, die fürsorgliche Mutter, die beste Freundin, die sportlich-gesundheitsbewusste Frau, die perfekte Gastgeberin, die sexy Liebhaberin, die sympathische Kollegin, die souveräne Chefin oder die erfolgreiche Unternehmerin. Die Erwartungen an die Frauen haben sich in den vergangenen Jahren mehrfach potenziert.
Erkennst du dich wieder? Du möchtest nichts verpassen und versucht es allen recht zu machen. Du kämpfst dich mit viel Kraft durch den Alltag, erschöpfst dich an gesellschaftlichen und persönlichen Ansprüchen und Erwartungen. Als Superweib gelingt dir das …
Lies den ganzen Artikel hier in CHI 01/2024