Wie oft höre ich den Satz „Etwas sitzt mir im Nacken“. Sicher die Hälfte meiner Schüler und Klienten kommt mit Nackenproblemen zu mir und will schnell ein paar therapeutische Yoga-Übungen empfohlen haben, um rasche Linderung zu erzielen. Doch ganz so einfach und schnell geht das oft nicht!
Nackenprobleme können viele unterschiedliche Ursachen haben. Daher schaue ich mir zuerst ganz genau die gesamte Körperhaltung an, dann hinterfrage ich den Arbeitsbereich (Büroarbeit/Computer) und den Ausgleich in der Freizeit (z. B. Mountainbiken?). Mit genauem Bodyreading und einigen Informationen ist es meist so, dass mir schon Fehlhaltungen bzw. Verbesserungspotential auffallen und sich die ersten hilfreichen Yoga-Übungen finden.
Nun möchte ich einige Schritte zurückgehen und beleuchten, wie es zu Nackenproblemen kommen kann:
In unserem täglichen Leben gibt es einen permanenten Wechsel von Spannung und Muskelentspannung. Wenn Muskeln nach einer Spannung in dieser bleiben und nicht mehr entspannen können, sprechen wir von Muskelverspannungen. Diese können sehr schmerzhaft sein – sie schränken unsere Beweglichkeit ein und machen uns verletzungsanfälliger. Manche Verspannungen können unsere Atmung beeinträchtigen, die Durchblutung verschlechtern und wirken sich natürlich auch auf unseren Gemütszustand aus. Die Muskeln verhärten und verkürzen sich. Auf Dauer können Nackenprobleme auch zu Rückenproblemen führen. Die Ursachen für solche Rückenprobleme werden viel seltener durch Verletzungen der Gelenke, der Muskeln oder des Skeletts hervorgerufen.
Warum treten diese Verspannungen so oft im Hals- und Nackenbereich auf?
Teilweise wegen unserer sitzenden Tätigkeiten, der Bildschirmarbeit und der damit verbundenen unnatürlichen Haltung. Dann natürlich auch durch seelische Anspannungen (Schultern hochziehen, die gesamte Muskulatur im Nackenbereich verspannt sich), durch schlechte Haltung, aber auch dadurch, dass die Muskulatur in diesem Bereich die Aufgabe hat, den Kopf (immerhin zwischen fünf und sieben Kilo schwer!) auf der Wirbelsäule, also einer relativ kleinen Unterstützungsfläche auszubalancieren.
Im Hals und Nacken arbeitet eine Vielzahl von Muskeln daran, den Kopf in diesem Gleichgewicht zu halten. Wir machen es diesen Muskeln leider schwer, indem wir unseren Körper und vor allem den Kopf immer wieder – und meist zu lange – statisch in eine nicht achsengerechte Haltung bringen. Die lange Haltung des Kopfes nach vorne bei der Bildschirmarbeit, eine schlechte Haltung oder auch wenig Öffnung im Brustbereich, zu starkes „in den Nacken legen des Kopfes“ – auch beim Yoga! – zu langes seitliches Halten des Kopfes, aber auch Fußfehlstellungen, Beckenschiefstand, Zahn- oder Augenprobleme, Kieferverspannungen, das Tragen von Taschen auf der immer gleichen Seite, BHs und vieles mehr, können auf Dauer die Muskulatur im Hals- und Nackenbereich überfordern. Die Muskeln können auch im Schlaf nicht mehr entspannen bzw. kann auch ein ungeeignetes Kissen zu Nackenproblemen führen. Die Schutzhaltung des Schulternhochziehens bei psychischen Zuständen mit Anspannung, unterdrückten Emotionen, Angst, Ärger und Wut und ähnlichem können ebenfalls zu einer dauernden Verspannung in diesem Bereich führen.
Jede Kopfdrehung kann zur Qual werden, Spannungskopfschmerzen können auftreten, die Gesichtsmuskulatur kann verspannen – die Lebensqualität an sich kann so negativ beeinträchtigt werden.
All das sind schon genug Gründe, um mit Yoga zu beginnen und aktiv etwas gegen Nackenprobleme zu unternehmen.
Da die Yogapraxis positive Auswirkungen auf den ganzen Körper und den Geist hat, ist damit schon der erste Schritt in Richtung gesunder und freier Nacken getan. Verschwinden die Nackenprobleme trotz regelmäßiger Yogapraxis jedoch nicht, wird es Zeit, sich die Praxis genauer anzusehen oder von einem Yoga-Therapeuten anschauen zu lassen bzw. mit empfohlenen therapeutischen Yogaübungen für einen entspannten Nacken zu beginnen.
Einfache Dehnübungen des schmerzenden Nackenbereiches im Sitzen oder Stehen sind meist der Anfang, später folgen idealerweise Positionen, bei denen auch andere Körperregionen bewusst miteinbezogen werden (Rücken, Brustkorb, Becken, Füße, …)
Wichtig dabei ist, achtsam, langsam und behutsam zu praktizieren, da speziell der Nacken auf ein „Zuviel“ jeglicher Art sehr empfindlich reagieren kann. Im Sinne der Entspannung sollte der Atem – wie generell im Yoga – ruhig und gleichmäßig fließen, das Hauptaugenmerk liegt dabei auf der Ausatmung. Therapeutische Yogaübungen sind dafür ideal.
Die Universität Essen hat 312 Studien zur Wirkung von Yoga ausgewertet und ist zu folgendem Schluss gekommen: Yoga kann heilen, aber nicht alles!
Therapeutisches Yoga
Schüler bzw. Klienten mit gravierenden Beschwerden sind nicht in der Lage, „normalen“ Yogastunden zu folgen. Sie sind auf therapeutische Yogastunden angewiesen, in welchen ein ausgebildeter Yogatherapeut ausgewählte Übungen exakt und angepasst anleitet. Unsere Körper sind manchmal durch falschen „Gebrauch“ einseitig abgenutzt oder sogar verzogen, Wirbelsäulen sind verbogen, verdreht oder verknöchert. Hier setzt die Yogatherapie an.
Nach yogischer Sicht werden in den Zellen alte Samskaras – Prägungen, die das Leben hinterlassen hat – durch neue ersetzt, sozusagen umprogrammiert. Nach der Yogaphilosophie besteht der Körper aus fünf Schichten, die vom Grobstofflichen, dem Körper, zum Feinstofflichen, der Seele, übergehen. Sie beeinflussen sich gegenseitig, die Körperschicht wirkt auf die Seelenschicht und umgekehrt. Gefühle wie Angst, Trauer oder Wut schlagen sich oft in unserer Haltung nieder.
Was kann ich nun selbst in meiner täglichen Yogapraxis für einen gesunden Nacken tun?
- Den Kopf nicht zu weit in den Nacken legen, egal in welcher Asana.
- An der Brustöffnung arbeiten.
- Die Schultern immer wieder entspannt halten und weg von den Ohren ziehen.
- Augenübungen in meine tägliche Praxis einbauen.
- Die Kiefermuskulatur entspannende Übungen in meine tägliche Praxis einbauen.
- Auf meine Fußstellung achten und ein gesundes Fußgewölbe aufbauen.
- Auf meine allgemeine Haltung und Ausrichtung achten und auch auf die Beinachse.
- In verschiedensten Asanas (z. B. Vierfüßerstand) den Kopf bewusst loslassen/hängen lassen und sanft nach links und rechts drehen
- Nackenbefreiende Asanas wie Hund und Handstand in meine Praxis einbauen
- Nacken- und Halsmuskulatur sanft dehnen
- Die Halsmuskulatur kräftigende therapeutische Yogaübungen einbauen
Welche Übungen können sofort helfen?
- Die Nähmaschine
- Die Achterschlaufe
- Meditation und Shavasana gegen Stress
- Den Kopf sanft zur Brust sinken lassen
- Den Kopf nur vorne(!) langsam von einer Schulter zur anderen rollen – bitte kein 360 Grad-Rollen des Kopfes, das belastet die Halswirbel zu stark
- Brustöffnung und Schultern weg von den Ohren
- Bewusstes An- und Entspannen der Schultern durch hochziehen und abrupt fallen lassen
Notfallübung Nähmaschine: So geht’s:
Stelle Dich gerade hin, lass die Schultern bewusst sinken, hebe und senke den Kopf nun langsam und achtsam und gehe mit der Bewegung abwechselnd nach rechts und nach links. Wiederhole dies bis zu 5 Minuten lang.
Welche Maßnahmen können auf Dauer helfen?
- Dynamisches Sitzen
- Richtig schlafen – z. B. mit einem ergonomisch geformten Nackenkissen
- Regelmäßige Pausen zwischen den sitzenden Tätigkeiten – mit Bewegung und einfachen Yogaübungen
- Eventuell Wärme oder Massage
- Richtig beißen ( – Zahnarztbesuch)
Bereich Nacken allgemein als betroffene Region: „ Der Nacken ist ein Ort der Kraft und des eisernen Willens: hier sitzt das Joch (der Ochsen), Ort um jemandes Willen zu brechen: hier trugen Leibeigene einen schweren Ring, und hierhin zielen Nackenschläge, aber auch das Beil des Scharfrichters und die Guillotine, die den Willen der Verurteilten für immer brechen sollen …“
Das betroffene Organ – die Muskulatur: Symbol für Polarität – Spannung und Entspannung.
Aufgabe und Thema: Außenwelt, Aktivität, Beweglichkeit, Flexibilität, Verteidigung im körperlichen und seelischen Bereich.
Grundproblem und seine Deutung: Verspannung,
Körperebene: Muskulatur, Gelenke
Symptomebene: Ver-Spannung = falsche Spannung (Dystonie), übertriebene Anstrengung
Bearbeitung/Einlösung: Bemühungen am richtigen Ort zur richtigen Zeit
(Quelle: Krankheit als Symbol/Rüdiger Dahlke, 18. Auflage 2007)