Dankbarkeit, ein positives Gefühl und Anerkennung von materieller oder immaterieller Zuwendung, kann man gegenüber der Natur, den Menschen oder sogar dem eigenen Sein gegenüber empfinden. Dankbarkeit hat sich zu einem echten Hype entwickelt, dennoch kann sie für einige Menschen nicht den gewünschten Effekt bewirken. Warum ist das so?
Dankbarkeit nährt eines der vier neurobiologischen Grundmotive, nämlich „Harmonie & Geborgenheit“. Ist dieses Grundmotiv in gesunder Balance, …
- können wir emotionale Nähe geben,
- können wir zwischenmenschliche Wärme zulassen,
- können wir jemanden grundsätzlich vertrauen,
- sind wir anpassungsfähig,
- können wir herzlich sein und
- strahlen wir Sympathie aus.
Das Bindungshormon Oxytocin nährt das Motivfeld „Harmonie & Geborgenheit“ und spielt die zentrale Rolle für unser Erleben und Verhalten in zwischenmenschlichen Beziehungen. Ist dieses Grundmotiv jedoch in einer Dysfunktion, zeigen wir Abhängigkeit, Unterwerfung, übertriebene Bescheidenheit, leben Selbstaufgabe und sind uns und anderen gegenüber durchsetzungsschwach.
„Nicht die glücklichen sind dankbar, es sind die Dankbaren die glücklich sind“
– Francis Bacon
Ein Mensch, der dazu neigt zu prokastinieren, kommt aus lauter Dankbarkeit gar nicht in die Gänge. Dankbarkeit zu üben ist auch nichts für Menschen, die zu demütig sind und ihre gesunden Grenzen nicht wahren, da ihr Motivfeld von Harmonie & Geborgenheit nicht in der Balance ist. In diesem Fall ist es effektiver, ein anderes neurobiologisches Grundmotiv zu stärken und/oder die Richtung der Dankbarkeitsübung zu ändern.
Dankbar können wir für Dinge im außen sein, aber auch für all unsere Fähigkeiten, Talente, Werte und Tugenden. Wollen wir unsere zwischenmenschlichen Beziehungen stärken, sollten wir dankbar für diese Verbindungen sein. Damit nähren wir die Beziehungsbalance. Wollen wir jedoch die Beziehung zu uns stärken, also uns selbst bedingungslos akzeptieren, sollten wir dankbar sein für alles, was uns ausmacht. Damit stärken wir unseren passiven Selbstwert. Ergänzen wir unsere Dankbarkeitsübung mit einer anderen Super-Ressource eines neurobiologischen Motivfeldes, beispielsweise dem Stolz aus dem Motivfeld „Durchsetzung und Einfluss“ so stärken wir den aktiven und passiven Selbstwert.
Könnte die Dankbarkeit sprechen, würde sie uns sagen: „Sorge für ein Gleichgewicht zwischen Geben und Nehmen!“
Empfinden wir etwas als wertvoll, so empfinden wir Dankbarkeit, wenn wir Dinge von außen bekommen und auch, wenn wir Eigenschaften in uns finden. Im Außen haben wir oft den Wunsch nach Ausgleich, nach dem Motto: aus Dankbarkeit für das, was du mir gegeben hast, gebe ich dir. Damit entsteht eine soziale Verbindung und Balance.
Dysfunktionale Dankbarkeit wirkt sich hingegen negativ auf unser Lebensglück aus. Haben wir beispielsweise in einer Partnerschaft das Gefühl, der andere hat mehr für uns getan, als wir jemals zurückgeben können, kann dies ein schlechtes Gewissen erzeugen – mit der Folge, dass wir für uns selbst nahezu nichts mehr beanspruchen.
Dankbarkeit und Wissenschaft
Emotionen sind grundsätzlich sehr spannend, da Dankbarkeit jedoch auch eine Super-Ressource in der Emotionslehre ist, hat sich die Wissenschaft auch mit ihr beschäftigt. 2003 haben die Psychologen Robert Emmons und Michael McCullough drei Studien mit Dankbarkeitsinterventionen erarbeitet. Die ersten beiden unterschieden sich hinsichtlich der Stärke und Häufigkeit, also die „Dosis“ der Intervention, die dritte testete Dankbarkeit nicht an Studenten, wie in den ersten beiden Fällen, sondern an Menschen mit einer chronischen Erkrankung. 192 Probanden wurden in diese drei Gruppen geteilt. Die eine sollte zehn Wochen lang in einem Tagebuch notieren, wofür sie Dankbarkeit empfanden, die zweite, was in der jeweiligen Woche schlecht gelaufen ist und eine dritte Gruppe reflektierte neutral über ihre Erlebnisse.
„Es kostet nichts dankbar zu sein, doch es ändert einfach alles“
Jene, die das Dankbarkeitstagebuch geführt hatten, wiesen bei den psychologischen Befragungen messbar mehr Optimismus auf, als die Probanden der anderen beiden Gruppen. Sie fühlten und verspürten mehr Lebensfreude. Ihr Schlaf und ihre Fitness hatten sich verbessert.
Galten die Psychologen Emmons und McCullough anfangs als Exoten, wurden später noch mehr Studien zur Dankbarkeit durchgeführt, die zeigten, dass Dankbarkeit vor Stress und Depression schützt, die Lebenszufriedenheit erhöht und das allgemeine Wohlbefinden sowie den Optimismus in Bezug auf die Zukunft steigert. Subjektiv betrachtet verringert Dankbarkeit auch das Empfinden von Einsamkeit. Sind wir in unserer Beziehung wechselseitig dankbar, so stabilisiert und stärkt es die Bindung. Physiologisch verbessert Dankbarkeit die Schlafqualität und aktiviert den Parasympathikus, jenen Nerv, der für unsere Entspannung zuständig ist.
Wofür bist Du heute dankbar?
Spüre in Deinem Körper das Gefühl der Dankbarkeit und atme gleichmäßig ein und aus.
„Oft sind es die kleinen Dinge, die so wertvoll sind!“
Liebe Nicole,
schön provokativ formulierter Titel des Artikels von dir!
Ich habe den Eindruck, dass in Zeiten von Social Media quasi alles irgendwann mal Hype war oder ist, so auch nun „Dankbarkeit“. Das passt jedoch nur wenig mit den von mir gemachten Erfahrungen, wie beispielsweise:
a) Tatsächlich gibt es im Arbeitsleben oft noch wenig oder keine Dankbarkeit, geschweige denn gezeigte Dankbarkeit. Deutschland ist diesbezüglich – im Gegensatz zu einigen asiatischen Ländern – Entwicklungsland.
b) Ich habe durchaus einige Coachees, die als eine ihrer Topcharakterstärken (gemäß http://www.viacharacter.org) angeben: „Dankbkarkeit“ und dieses Thema auch recht bewusst einsetzen und anwenden.
c) Dankbarkeit ist eine der Qualitäten, die mit viel Fingerspitzengefühl einzusetzen sind. Schnell kann man hier übertreiben oder zuwenig machen. Es benötigt das richtige Maß, vor allem aber eine bestimmte Einstellung. Dies ist zuallererst ein „Mindset“-Thema.
Herzliche Grüße aus Berlin, Matthias
Ein toller Überblick. – Herzlichen Dank dafür.