Vielen von uns schmeckt schon einmal etwas besonders gut. Aber wie viele von uns haben dann den Gedanken, sich mit diesem besonders guten Geschmackserlebnis intensiv auseinanderzusetzen und es von Grund auf selbst zu produzieren?
Birgit Fedhila aus Wulzeshofen (NÖ) hat genau das gemacht. „Ich habe bei einer Bekannten vor einigen Jahren Lavendelsirup getrunken und war vom Geschmack begeistert. Da habe ich mir gedacht, von diesen Pflanzen möchte ich ganz viele haben“, erzählt sie. Daraufhin begann sie zu recherchieren und stieß auf den echten Berglavendel, lateinisch Lavandula Angustifolia, der eine besonders hohe Qualität in den Inhaltsstoffen der Blüten aufweist. Diese Duftpflanzen in großer Menge anzubauen war nun Birgit Fedhilas großer Traum geworden.
Noch dazu stand die zukünftige Bio-Bäuerin an einer Kreuzung ihres eigenen Lebens. Die engagierte Biologie- und Deutschlehrerin war nach persönlichen Krisen und Überlastungen arbeitsunfähig geworden, und mit der Diagnose Burn-out an einem tiefen Punkt ihres Lebens angekommen. Ein Jahr Auszeit nutzte sie für eine Ausbildung in Bad Pirawarth zur Heilmasseurin und Heilbademeisterin, aber es waren dann die Pflanzen, die ihr den Weg zurück in ein aktives Leben wiesen, und allen voran der Lavendel. Diesen Traum in Lila wollte sie damals, im Jahr 2013, unbedingt Wirklichkeit werden lassen.
I have a dream
Zuerst musste also ein Acker her. Birgit hatte erst viele Absagen auf ihre Frage nach einem Pachtgrund hinzunehmen, bis schließlich der Sohn des Gasthauses Bsteh in Wulzeshofen bereit war, einen Ackergrund zu verpachten. Geebnet war die Sache dann trotzdem noch nicht, denn auf diesem Feld war eine Christbaumkultur vorhanden, und es mussten zu guter Letzt erst alle Wurzeln mit dem Bagger ausgegraben werden. Um echte Berglavendel-Pflänzchen in Bioqualität in ausreichender Menge einsetzen zu können, fuhr die Neo-Biobäuerin aufgrund eines Tipps nicht nach Frankreich, sondern nach Bulgarien. Denn die Lavendel-Hochleistungsproduktion in Monokultur in der französischen Provence war die Sache von Birgit Fedhila nicht. Sie setzte auf ursprünglichere Anbauformen wie sie in Bulgarien, im berühmten Tal der Könige, überwiegend noch praktiziert wurden.
Vor Ort angekommen stellte sich allerdings Überraschendes heraus: „Ich habe dort zwar viele Lavendelfelder gesehen, die jedoch alle in deutscher oder französischer Hand waren, und niemand war als Ansprechperson erreichbar. Auch die Bioqualität war nicht in der von mir gewünschten Form vorhanden“, erinnert sich die Lavendel-Pionierin. Enttäuscht und zur Rückkehr bereit machte sie an einer Tankstelle Rast. Im Gespräch ergab sich dann ausgerechnet hier der ultimative Kontakt zum einzigen bulgarischen Bio-Lavendelbauern im Tal der Könige, der auch tatsächlich ihre ersten 5.000 Setzlinge verfügbar hatte. Mit einem Auto voll gebündelter Pflänzchen und von Lavendelduft umgeben fuhr sie zurück und gab ihren lila Schützlingen in Wulzeshofen eine neue Heimat. Hier gedeihen sie nun prächtig und bereits seit dem zweiten Jahr rebelt die Weinviertler Lavendelkönigin die aromatischen, getrockneten Blüten in einer Zwiebelsamen-Reinigungsmaschine und siebt sie dann durch, bevor sie diese verkauft.
Mehr Ethik, weniger Profit = trotzdem happy
Der Wert der Ethik steht für die Biobäuerin stets an oberster Stelle. Sie verkauft ihre duftenden Lavendelblüten nicht an den Höchstbietenden, sondern an ein Unternehmen, das hauptsächlich durch Handarbeit von Mitarbeitern – und nicht durch Arbeit von Maschinen – die Rohstoffe weiterverarbeitet, und das schon im Einkauf auf die Qualität der Rohware besonderen Wert legt. Und wenn die Verarbeitung der Produkte noch dazu in Österreich erfolgt, so wie das bei der Mühlviertler Naturfabrik der Fall ist, entsteht eine perfekte Symbiose zwischen Produktion und Abnehmer.
Außerdem stellt Birgit Fedhila neben ihren Blüten auch Köstliches wie Birnensaft und Marillennektar her, sowie schwarze Holundermarmelade und Nusslikör. Die Neugier am Experimentieren treibt sie zu immer verfeinerten Produkten in ihrem Sortiment, und deshalb steht nun auch ein Destilliergerät auf ihrer Wunschliste. Im Kosmetikbereich fabriziert Birgit Ringelblumensalbe, Johanniskraut- und Massageöle, Lippenpflege und verschiedene Gesichtscremen, für die sie neben dem Lavendel auch viele andere wirkungsvolle Pflanzen verwendet.
Von diesen Salben, Cremen, Tinkturen und Ölen aus ihren eigenen Produkten in Verbindung mit hochwertigen biologischen Zutaten würde sie schon gern etwas verkaufen, aber: „Wenn dabei ein bisschen wirtschaftlicher Nutzen herauskommen sollte, müsste man aufgrund der vielen gesetzlichen Auflagen in dieser Branche ein sehr großes Mengenangebot produzieren. Das wäre in der von mir so geschätzten Handarbeit aber nicht möglich, und deshalb mache ich Kosmetikprodukte nur für meinen Eigenbedarf und einen kleinen Vorrat für Geschenke im Freundeskreis.“
Zur Adventzeit ist sie dennoch manchmal mit ihren feinen Erzeugnissen auf Märkten in Unterstinkenbrunn, Patzmannsdorf, Großharras oder Laa zu finden. Birgit vermutet, dass die Thematik einer so geringen Gewinnspanne bei hohem finanziellem und zeitlichem Einsatz die meisten hochwertig veredelten landwirtschaftlichen Erzeugnisse betrifft, nicht nur Kosmetikprodukte.
Am Lavendelfeld wird der Kopf frei
Und mit freiem Kopf kann man gut nachdenken, besonders in der Natur, wo auch der Blick weit schweifen kann. So macht sich die ehemalige Biologielehrerin so ihre Gedanken über einen Biologie-Unterricht zum Angreifen. Dieser sollte nämlich ganz anders verlaufen, wenn es nach Birgit Fedhila ginge – und zwar draußen in der Natur: „Das Wissen über Pflanzen und Tiere sollte viel mehr in die Praxis verlagert werden, direkt auf Acker und Feld, in Wiese und Wald. Die Kinder sollen riechen, schmecken und fühlen. Sie sollen graben, pflanzen, ernten, verarbeiten. Und genießen.“
Ebenso ist Birgit das Ernährungsverhalten der breiten Masse (Achtung: Wortspiel!) ein Dorn im Auge. Was in einer durchschnittlichen Tagesration an einseitigen Kohlehydraten, Zucker, Nitrit und Salz enthalten ist, macht dem Körper bei der Verwertung von lebensnotwendigen Nahrungsbestandteilen einerseits und dem Ausscheiden der unnötigen beziehungsweise schädlichen Stoffe andererseits große Probleme. Auf Dauer gesehen entwickeln sich daraus die bekannten Wohlstandserkrankungen, leider auch schon bei sehr jungen Menschen. „Linderung oder Heilung dieser selbst verursachten Gesundheitsprobleme wird dann oft in Medikamenten gesucht, eine Änderung der Ernährungs- und Lebensweise wird nicht einmal angedacht“, bedauert die Naturfrau, die lieber in der Pflanzenwelt vor ihrer Haustür nach Heilmitteln sucht. Durch das Interesse an Pflanzenwirkstoffen, das schon seit ihrer Jugend besteht, hat sie mittlerweile ein lebendiges und fruchtbares Netzwerk mit anderen Menschen gesponnen, die ebenfalls ein hohes Fachwissen über Pflanzenverarbeitung haben und deren Inhaltsstoffe und Auswirkungen auf den Körper kennen. Neues Wissen ist jederzeit gern willkommen. Die Natur nicht ausbeuten, ist eines der Prinzipien dieser losen Interessensgruppe naturinteressierter Menschen.
Worin besteht ein sinnvolles Leben?
Das Schöne an der gemeinsamen händischen Arbeit beim Lavendelschneiden ist abgesehen vom Duft- und Farbrausch die Zeit für lange Gespräche. Die Frage nach einem sinnvollen Leben beantwortet Birgit spontan mit „Das Hier und Jetzt schätzen.“ Sie ist sich ständig bewusst, dass sie genau an dem Ort sein möchte, wo sie jetzt lebt und arbeitet. Wünsche und Träume beziehen sich auf ihre eigenen Produkte und Fähigkeiten, sind dadurch umsetzbar und ergeben immer wieder neue spannende Ziele, für die es sich zu arbeiten lohnt. „Manche Menschen sind unzufrieden, weil sie ständig etwas anderes haben möchten, als sie derzeit haben“, sinniert die Ausgeglichenheit in Person. Sinnvolle Tätigkeit für den Einzelnen ist manchmal unspektakulär und ohne ersichtlichen wirtschaftlichen Nutzen, aber wenn sie beseelt ausgeführt wird, und das Ergebnis zufrieden macht, hatte es einen ganz persönlichen Sinn, meint sie. „Das Kind in sich darf man immer wieder hochleben lassen“, ist einer der Leitsätze der Lebenskünstlerin.