Hochsensibel oder traumatisiert?

von Nicole Katzenschlager

Ein Blick auf die tieferliegenden Zusammenhänge zwischen emotionaler Sensibilität und Bindungstrauma – und wie du deine eigenen Muster verstehen kannst.

In meiner Praxis erlebe ich sehr oft, dass Klienten mir sagen, dass sie hochsensibel sind und sich nicht abgrenzen können. In der Zusammenarbeit stellt sich jedoch heraus, dass ein Bindungstrauma die Ursache dafür ist. Sicherlich kommen Menschen, die mit ihrer Hochsensibilität gut umgehen können, nicht in meine Praxis, doch jene die mich aufsuchen, wussten um diesen Zusammenhang nicht.

Was ist Hochsensibilität

Psychologische Sicht: Hochsensibilität beschreibt eine erhöhte Empfindlichkeit gegenüber sensorischen und emotionalen Reizen, die sich in intensiver Wahrnehmung, tiefgehender Verarbeitung und starker emotionaler Reaktion äußert.

Neurowissenschaftliche Sicht: Hochsensibilität ist mit spezifischen neuronalen Prozessen und erhöhten Reaktionen des Nervensystems auf Reize verbunden, was sich in einer intensiveren Verarbeitung von sensorischen und emotionalen Informationen zeigt.

Die Psychologie bezeichnet Hochsensibilität (auch als „sensorische Verarbeitungsempfindlichkeit“ bekannt) als ein Persönlichkeitsmerkmal, bei dem Personen eine erhöhte Empfindlichkeit gegenüber sensorischen Reizen und emotionalen Erfahrungen aufweisen. Die Psychologin Elaine Aron prägte den Begriff in den 1990er Jahren und erforschte das Konzept umfassend. Aus neurowissenschaftlicher Perspektive wird Hochsensibilität mit spezifischen neurologischen und biologischen Prozessen in Verbindung gebracht, die die Verarbeitung von Reizen und emotionalen Informationen betreffen.

Neurowissenschaftliche Merkmale

Erhöhte neuronale Aktivität: Studien mittels funktioneller Magnetresonanztomographie (fMRI) haben gezeigt, dass hochsensible Menschen eine erhöhte neuronale Aktivität in Gehirnregionen aufweisen, die mit der Verarbeitung von sensorischen Reizen und emotionalen Informationen verbunden sind. Dazu gehören die Amygdala (verantwortlich für emotionale Reaktionen) und der präfrontale Kortex (verantwortlich für die bewusste Verarbeitung und Reflexion).

Höhere Sensibilität des Nervensystems: Neurowissenschaftliche Forschungen haben darauf hingewiesen, dass hochsensible Personen möglicherweise eine verstärkte Reaktionsbereitschaft des Nervensystems auf Umweltreize haben, was zu einer schnelleren und intensiveren Reaktion auf sensorische und emotionale Informationen führt.

Verarbeitungstiefe: Untersuchungen haben gezeigt, dass hochsensible Menschen Informationen tiefer verarbeiten, was sich in einer erhöhten Aktivität in Hirnregionen zeigt, die mit kognitiver Verarbeitung und Aufmerksamkeit in Zusammenhang stehen.

Neuroimaging-Studien der neurowissenschaftlichen Forschung haben in bildgebenden Verfahren wie fMRI und PET-Scans Unterschiede in der Gehirnaktivität bei hochsensiblen Menschen im Vergleich zu weniger sensiblen Personen aufgezeigt.

Hormonelle Einflüsse: Es gibt Hinweise darauf, dass hochsensible Menschen möglicherweise empfindlicher auf Stresshormone reagieren, was ihre Reaktionsbereitschaft und Sensibilität beeinflussen kann.

Was versteht man unter Bindungstrauma?

Psychologische Sicht: Bindungstrauma bezeichnet die Auswirkungen von unsicheren oder gestörten Bindungserfahrungen in der frühen Kindheit auf die emotionale und soziale Entwicklung, einschließlich Vertrauensproblemen, emotionaler Dysregulation und verzerrter Selbst- und Fremdwahrnehmung.

Neurowissenschaftliche Sicht: Bindungstrauma beeinflusst die neurologische Entwicklung und die Stressreaktivität, indem es die Gehirnstruktur und -funktion verändert, insbesondere in Bereichen, die für emotionale Regulation und Stressverarbeitung verantwortlich sind. Beide Perspektiven bieten wertvolle Einsichten in die Art und Weise, wie frühkindliche Bindungserfahrungen langfristig die emotionale Gesundheit und die neurologische Entwicklung prägen können.

Menschen mit Bindungstraumata tun sich besonders schwer mit der Emotions- bzw. Stressregulation, eine Co-Regulation einer stabilen Bindungsfigur kann helfen, leider enden viele in unsicheren oder gestörten Bindungssituationen und sehr häufig kommt es zu einer Co-Abhängigkeit. Das bedeutet, dass sich die Person nur dann wohl fühlt, wenn der Partner emotional stabil ist.

Tauchen wir auch hier mehr ein was die Psychologie und die Neurowissenschaft sagt:

Bindungstrauma bezeichnet eine Form von psychischem Trauma, das durch eine gestörte oder unsichere Bindungserfahrung in der frühen Kindheit entsteht. Diese frühen Beziehungserfahrungen beeinflussen die emotionale und soziale Entwicklung eines Kindes und können langfristige Auswirkungen auf die psychische Gesundheit und zwischenmenschliche Beziehungen haben.

Bei einem Trauma ist die Stressüberflutung so gross, das wir nur erstarren oder einfrieren (Freezing) und uns innerlich von traumatischen Erinnerungsbausteinen abspalten (Fragmentierung). Wohingegen ein
belastendes Lebensereignis nur einen inneren Konflikt darstellt, gegen den wir trotz Überflutung und aversiver Reize ankämpfen und fliehen können.

Bindungstraumata können eine Vielzahl von psychischen und physischen Folgestörungen verursachen, die weitreichende Auswirkungen auf das emotionale und soziale Wohlbefinden einer Person haben können.

Zu den häufigsten Folgestörungen gehören unsichere Bindungsstile, emotionale und Verhaltensstörungen, Angst- und Stressstörungen, depressive Störungen, Selbstwertprobleme, körperliche Gesundheitsprobleme und Verhaltensauffälligkeiten. Die Bindungswissenschaft hat gezeigt, wie wichtig es ist, diese frühkindlichen Erfahrungen zu erkennen und gezielt zu behandeln, um die langfristigen Auswirkungen zu minimieren und das Wohlbefinden der betroffenen Personen zu fördern.

Aus neurowissenschaftlicher Perspektive bezieht sich Bindungstrauma auf die Auswirkungen von frühen, belastenden Bindungserfahrungen auf die Gehirnentwicklung und die neurologischen Prozesse, die Emotionen und soziale Interaktionen regulieren.

Neurowissenschaftliche Merkmale

Gehirnentwicklung: Frühkindliche Bindungstraumata können die Entwicklung des Gehirns beeinflussen, insbesondere in Bereichen, die mit Stressreaktionen, emotionaler Regulation und sozialem Verhalten verbunden sind. Dazu gehören die Amygdala (für emotionale Reaktionen) und der präfrontale Kortex (für kognitive Kontrolle und Regulierung).

Stressreaktion: Bindungstrauma kann die Stressantwort des Körpers verändern. Menschen mit Bindungstrauma können eine übermäßige Aktivierung des Stresssystems erleben, was zu chronisch erhöhten Cortisolspiegeln und einer erhöhten Stressanfälligkeit führen kann.

Emotionale Verarbeitung: Die neurologischen Auswirkungen von Bindungstrauma können zu Schwierigkeiten bei der emotionalen Verarbeitung und Regulation führen. Studien zeigen, dass Menschen mit frühen Bindungstraumata oft eine verstärkte neuronale Aktivität in Gehirnregionen aufweisen, die für die Verarbeitung von Bedrohungen und Emotionen zuständig sind.

Merkmale von Bindungstrauma
Unsichere Bindungen: Bindungstrauma entsteht häufig durch inkonsistente, unsichere oder unzuverlässige Betreuungserfahrungen. Beispiele sind emotionale Vernachlässigung, Misshandlung oder ein fehlerhaftes Bindungsverhalten der primären Bezugspersonen.
Emotionale Auswirkungen:
Kinder, die Bindungstraumata erfahren, können Schwierigkeiten haben, Vertrauen zu entwickeln, emotionale Nähe zuzulassen oder gesunde Beziehungen aufzubauen. Sie können erhöhte Ängste, Verlassenheitsängste oder emotionale Dysregulation zeigen.
Kognitive und Verhaltensmuster:
Bindungstraumata können zu verzerrten Glaubenssätzen über sich selbst und andere führen, wie etwa das Gefühl, nicht liebenswert zu sein oder immer enttäuscht zu werden. Diese Muster können sich in problematischen Beziehungsmustern und Verhaltensweisen manifestieren.
Psychologische Forschung:
Die Bindungstheorie von John Bowlby und Mary Ainsworth bietet einen Rahmen, um zu verstehen, wie frühe Bindungserfahrungen die emotionale Entwicklung beeinflussen und wie unsichere Bindungen zu Trauma führen können.
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