Zwischen Schmerz und Hoffnung

von Bettina Kreps

Wie der Verlust eines Kindes deine Partnerschaft verändert.

Vor nunmehr 30 Jahren erlebte ich die schwierigste und traurigste Zeit meines Lebens. Meine Kinder wurden mir geschenkt und ein paar Tage später musste ich sie wieder gehen lassen. Es folgte eine jahrelange Phase der Trauer, der Ohnmacht und des Verzweifelns. Wenn mir damals jemand gesagt hätte, dass ich jemals wieder so glücklich werde, wie ich es heute bin … ich hätte es nicht für möglich gehalten.

Der Satz „die Zeit heilt alle Wunden“ wirkt nur bedingt, und leider ist es noch immer so, dass uns als verwaisten Eltern in der Gesellschaft nur eine bestimmte Zeit zugestanden wird, um zu trauern. Wenn ich die 30 Jahre zurückblicke, gab es Momente des Glücks, in denen ich auf einmal voll vom Schmerz erwischt wurde und aus tiefstem Herzen weinen musste. Genau das gestehe ich mir auch heute zu und es muss mich keiner verstehen. Manchmal verstehe ich ja selbst nicht, wo dieses Gefühl gerade herkam. Aber es darf gelebt werden und diese Tränen dürfen fließen.

Ich spüre zu meinen Mädels eine ganz tiefe Verbindung und weiß, dass es ihnen gut geht. Und doch gibt es diese Momente, wo ich sie einfach in den Arm schließen möchte und mit ihnen Dinge teilen möchte, die auf diesem Weg nicht möglich sind. Heute kann ich das Geschenk erkennen, das dieser Weg mir gebracht hat und doch würde ich es in jedem Moment ohne Zögern eintauschen, wenn ich das könnte. Doch ich gab mir ein Versprechen und genau dieses hielt mich an der Wasseroberfläche in den Momenten, in denen ich zu ertrinken drohte. Ich versprach ihnen, dass ihr Tod nicht umsonst sein würde und ich alles mir Mögliche machen werde, um zu erkennen, warum ich dies erleben musste und wie ich daran wachsen kann.

Denn der erste Gedanke, als ich meine Mädels sah, war, dass sie perfekt sind, genau so, wie sie sein sollen. Doch der Kopf sagte mir im nächsten Moment, dass man so nicht über seine Kinder denken darf, die sterben müssen. Und doch weiß ich heute, dass sie perfekt sind und es immer waren.

Mein Weg bis zum heutigen Tag sollte erst einmal ein sehr langer und schmerzhafter werden, bevor es begann leichter zu gehen. Denn bei der Trauer kommt noch dazu, dass Männer und Frauen ganz unterschiedlich trauern und auch in der Beziehung oft das gegenseitige Verständnis fehlt, weil jeder denkt, seine Art zu trauern sei die richtige und einzig wahre. Jeder für sich versinkt in einem Schmerz, in einer Ohnmacht und auch in einem Stück Selbstmitleid. Meine größte Herausforderung in dieser Zeit war es zu erkennen, dass mein Partner genauso großen Schmerz erleidet oder vielleicht noch mehr, weil er ihn nicht so ausdrücken kann wie ich. Auch wenn er ihn ganz anders ausdrückt, als ich das kann.

Im Rückblick kann ich sehr gut erkennen, dass ich nicht nur um den Verlust meiner Kinder getrauert habe, sondern mich auch selbst ein großes Stück verloren hatte und dabei nicht den nötigen Halt von meinem Partner bekommen habe. Wie auch? Wenn er selbst im Schmerz versunken ist und diesen Schmerz in Arbeit versteckt. Ich hatte einen kleinen Sohn, für den ich stark sein musste und erlaubte mir dadurch nur abends, wenn er schlief, zusammenzubrechen. Als ich dann mit meiner Tochter schwanger wurde, war das Gefühls-Chaos perfekt zwischen Freude über dieses ungeborene Wesen und der Sehnsucht und der Trauer über den Verlust.

Ich trennte mich emotional immer mehr von mir und dadurch auch von meinem Partner. So wie ich mich im Stich gelassen fühlte, so ließ ich auch ihn alleine in seiner Überforderung. Dies führte uns in eine Sackgasse, die nur mit einem Crash enden konnte. Am Tiefpunkt dieses Weges wurde uns beiden bewusst, dass wir wieder einen Weg zu uns und in ein glückliches Leben finden wollen. Wir spürten beide, dass wir unsere Beziehung nicht aufgeben wollen und nicht eine gescheiterte Familie das Ergebnis des Todes unserer Kinder sein soll. Wir begannen die Trümmer Stück für Stück aufzusammeln und zu flicken. Manchmal fühlte es sich an, als wäre ein Hurrikan durch unser Leben gefegt und wir versuchten verzweifelt, die alten Bretter wieder zusammenzunageln und unser Haus wieder so aufzubauen, wie es vorher war. Doch an diesem Punkt mussten wir erkennen, dass das nicht möglich war.

Wir konnten diese alten Bretter nur zum Teil verwenden. Wir hatten ein starkes Fundament in unserer Liebe und doch war das Haus darauf so zerstört, dass wir es nur bedingt wieder aufbauen konnten. Wir mussten erst einmal herausfinden, wer wir nun sind. Dazu kam, dass wir mit unseren 22 und 23 Jahren erkennen durften, dass wir so gar keine Ahnung vom Leben haben und uns die Vorbilder fehlten, die uns das Leben in der neuen Form vorlebten. All unsere Freunde waren noch immer jung und unbekümmert und wir hatten das Gefühl mit einem Moment hart auf dem Boden der Realität gelandet zu sein und nicht zu wissen, wie wir in dieser Realität nun zurechtkommen sollten und wie wir unser Leben weiterleben können.

Mit Mikroschritten kehrten wir ins Leben zurück. Als wir den Entschluss fassten, diesen Weg gemeinsam weiterzugehen, gab es viele Rückschläge und auch viel Erkennen unseres neuen Weges. Uns wurde immer mehr bewusst, dass wir nur gewissen Teile unseres Hauses wiederverwenden konnten und alles andere durfte neu und anders werden. Anders als alles, was wir kannten und was uns vorgelebt wurde. Das machte so oft eine Riesenangst. Angst zu versagen, Angst es nicht zu schaffen und Angst, den anderen zu verlieren. Erst als jeder für sich begann, den Weg zu gehen und sich immer mehr selbst zu finden, konnten wir diese Angst Stück für Stück hinter uns lassen und eine neue Ebene in unserer Beziehung wurde sichtbar.

Zu erkennen, dass wir uns gegenseitig halten dürfen, mal ich meinen Mann und mal mein Mann mich, zu erkennen, dass wir uns selbst glücklich machen dürfen und sich dieses Glück dann auf den Partner überträgt. Dies war der Weg in die Heilung, denn schließlich möchte jeder der Partner, dass der andere glücklich ist. Hier dreht es sich immer im Kreis, bis einer beginnt, sich selbst glücklich zu machen und dadurch den Partner in dieses Glück mitnimmt. Auf diesem Weg wirst du mit den Tiefen deiner Seele konfrontiert, Verlustängste, Mangel an Selbstliebe, Kindheitsthemen, all das und noch viel mehr kommt hier hoch und möchte angesehen werden.

Genau das habe ich mir heute zur Aufgabe gemacht: Paaren, die nicht wissen, wie es ein Leben danach geben soll, unseren Weg zu zeigen. Es passt sicher nicht für jeden, doch in meiner Praxis landen genau die Richtigen, für die dieser Weg passend ist, um ihren eigenen Weg zu finden und wieder ein erfülltes, glückliches Leben hier zu leben. Denn genau das ist es, was unsere kleinen Engel sich wünschen.

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